Interview
»Wir müssen nicht die Fragen stellen, sondern die Lösungen bieten.«
Nachhaltigkeit betrifft die verschiedensten Unternehmensbereiche und hat hier jeweils seine individuelle Ausprägung. Lutz Rosiepen, Leiter Personalwesen, Markus Westhoff, Technische Dienste Siegen, und Konrad Thannbichler, Vertriebsleiter, sprechen über Ziele, Erfolge und die weiteren Aufgaben.
Wie definieren Sie persönlich den Begriff der Nachhaltigkeit für Ihren Zuständigkeitsbereich?
Konrad Thannbichler: Nachhaltigkeit entsteht durch langlebige Produkte. Es gibt Stahlbrücken, die so alt sind wie die erste Eisenbahn. Auch manche Erdölpipeline ist schon seit 100 Jahren in Betrieb. Lösungen aus Stahlrohren und MSH-Profilen, so wie Salzgitter Mannesmann Line Pipe sie anbietet, sind immer auf Qualität und damit auf Langlebigkeit angelegt. Und noch eines ist wichtig: Am Ende des Lebenszyklus sollte ein Produkt möglichst komplett recyclebar sein. Das trifft für Stahl zu 100 % zu.
Markus Westhoff: Wir wollen für unsere Kunden dauerhaft und langfristig ein leistungsstarker und kompetenter Partner sein. Über die präventiven Maßnahmen zur Arbeitssicherheit hinaus soll die Gesundheit unserer Mitarbeiter aktiv und langfristig verbessert werden. Der Verbrauch von Energie und Ressourcen erfolgt bei Produktion und Transport möglichst schonend, und die Emissionen wollen wir kontinuierlich minimieren. Nicht zuletzt wird das Erreichte ständig überprüft und verbessert.
Lutz Rosiepen: Nachhaltigkeit im Personalbereich bedeutet für mich, dass wir vor dem Hintergrund des demographischen Wandels unserem Unternehmen auf allen Ebenen auch in Zukunft bedarfsgerecht qualifiziertes Personal bereitstellen können.
Wo sehen Sie Salzgitter Mannesmann Line Pipe auf dem Weg zum nachhaltigen Unternehmen?
M. Westhoff: Nicht zuletzt aufgrund des wachsenden gesellschaftlichen Umweltbewusstseins, das sich auch in unseren Absatzmärkten wiederfindet, haben wir im Jahr 2002 das bestehende Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001 um das Umweltmanagement nach DIN EN ISO 14001 erweitert. 2005 haben wir die etablierten Umwelt- und Qualitätsstandards um die Belange des Arbeits- und Gesundheitsschutzes ergänzt und nach OHSAS 18001 zertifizieren lassen. Bei der Anwendung dieser Systeme haben wir erkannt, dass ein strukturiertes Managementsystem wichtige Voraussetzung für die ständige Verbesserung unserer Produkte und Prozesse ist. Seit 2012 betreiben wir zudem ein Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001. Wir sind inzwischen vom reaktiven Korrigieren zum proaktiven Vorausschauen übergegangen. Dies führt zu einer nachhaltigen Fürsorge bezogen auf die im Unternehmen tätigen Menschen und die Umwelt, mit der unsere Produkte und Unternehmensprozesse in unmittelbarem Zusammenhang stehen.
L. Rosiepen: Wir verfolgen unsere gesteckten Ziele im Personalbereich langfristig. Wir haben inzwischen zahlreiche Kontakte zu Schulen und Hochschulen geknüpft und sind beispielsweise auf Jobmessen aktiv. Neben den klassischen Ausbildungen bieten wir auch Duale Studienplätze an. Die Fort- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter spielt ebenso eine wichtige Rolle. Allerdings stellen wir fest, dass sich durch veränderte Marktlagen immer wieder neue Herausforderungen ergeben. Insofern müssen wir akzeptieren, dass nachhaltige Personalplanung ein dynamischer, sich wandelnder Prozess ist.
Wir müssen die Chance haben, unter realistischen Energie- und Rohstoffpreisen produzieren zu können. Dann ist Nachhaltigkeit kein Luxus sondern Antriebsmotor für Wachstum.Markus Westhoff
Am Ende des Lebenszyklus sollte ein Produkt möglichst komplett recyclebar sein. Das trifft für Stahl zu 100 % zu.Konrad Thannbichler
Nachhaltigkeit wird in den energieintensiven Produktionsbereichen häufig bezweifelt und in Frage gestellt. Was entgegnen Sie dem?
L. Rosiepen: Dass man neben dem Aufwand zur Fertigung der Produkte auch die Lebensdauer betrachten muss, um die Nachhaltigkeit zu beurteilen. Stahlrohre sind zwar energieintensiv in der Produktion, aber auch beispielhaft, was die Nutzungsdauer anbelangt! Ich wüsste keine nachhaltigere Alternative.
K. Thannbichler: Wir sollten hier auch den internationalen Vergleich nicht aus den Augen verlieren: Jedes chinesische Stahlrohr entsteht mit höherem Energieverbrauch und mehr Umweltzerstörung als bei uns in Europa. Daher ist es auch doppelt unsinnig, über hohe Energiesteuern die Rohrproduktion aus Europa nach Asien zu vertreiben. Zum höheren Energieeinsatz im Produktionsprozess kommt auch noch der zusätzliche Schiffstransport der Rohre nach Europa und der Rücktransport von Stahlschrott in die chinesischen Stahlwerke.
M. Westhoff: Es gibt in der Öffentlichkeit die weit verbreitete Meinung, dass energieintensive Unternehmen durch Steuersubventionen entlastet werden, die Zeche dafür aber von den Privathaushalten gezahlt wird. Fakt ist, dass der Gesetzgeber die Befreiung von der EEG-Umlage an die Forderung zur permanenten Reduzierung der Energieleistungskennzahlen knüpft. Die Erhöhung der Energieeffizienz ist aber gerade das Wesen von Nachhaltigkeit im Energiesektor. Insofern meinen wir, dass im Gegenteil gerade die energieintensiven Unternehmen, die die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Befreiung von der EEG-Umlage erfüllen, Nachhaltigkeit jeden Tag leben.
Ist Nachhaltigkeit unter den aktuellen internationalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – insbesondere mit Blick auf China – nicht ein Luxus, den man sich in Deutschland eigentlich gar nicht mehr leisten kann?
L. Rosiepen: Nein, ganz im Gegenteil. Die Chinesen müssen gerade selbst lernen, dass ihre Wachstumspolitik nicht nachhaltig war! Massive Umweltschäden und Einschränkungen für die Bevölkerung sind unter anderem die Folge. Anstrengungen im Bereich der Nachhaltigkeit sind auch in China unabdingbar und notwendiger als je zuvor.
M. Westhoff: Gerade Salzgitter Mannesmann Line Pipe kann von der Energiewende hin zu mehr Nachhaltigkeit profitieren. Unsere F&E-Aktivitäten haben wir in Teilen bereits lange danach ausgerichtet. Wir bieten Lösungen für die Gründung von Offshore-Windparks an, um nur ein Beispiel zu nennen. Jedoch müssen wir die Chance haben, unter realistischen Energie- und Rohstoffpreisen produzieren zu können. Dann ist Nachhaltigkeit kein Luxus, sondern Antriebsmotor für Wachstum.
Politik und Staat beeinflussen wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Würden Sie sich im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit mehr oder lieber weniger Einmischung wünschen?
L. Rosiepen: Ich würde mir wünschen, dass sich der Stellenwert der Stahlindustrie in der Politik an der Anzahl der beschäftigten Menschen orientiert. Hier muss sich Politik stärker einbringen, um weltweite Wettbewerbsbeschränkungen abzubauen.
K. Thannbichler: In Deutschland wird bei Gebäuden und Brückenbauten Beton meist gegenüber reinen Stahlkonstruktionen bevorzugt. Das hat eine lange Tradition und fängt schon bei der Ingenieurs- und Architektenausbildung an. Stahl hat hier eine schlechte Lobby. Normen und Regelwerke sind bei Stahl mehr als vorsichtig. Bei vielen öffentlichen Ausschreibungen ist Beton nach wie vor die erste Wahl und Stahlkonstruktionen sind erst gar nicht vorgesehen. Dabei müssten die zahlreichen maroden und sanierungbedürftigen Betonbrücken aus den 60er-Jahren den öffentlichen Auftraggebern eigentlich die Augen öffnen. Es geht auch anders: In England und den Niederlanden ist Stahl im Bausektor ein gleichberechtigter Werkstoff. Ein Umdenken der öffentlichen Hand ist hier überfällig. International darf eine übereifrige lokale CO2-Politik nicht dazu führen, dass die weltweite CO2-Bilanz übersehen wird.
M. Westhoff: Oder nehmen wir die EEG-Umlage. Die Bundesregierung verfolgt im Rahmen der Energiewende das Ziel, den Anteil der regenerativen Energien zu erhöhen. Das ist gut und richtig, führt aber im Endeffekt nun zu umlagefinanzierten Subventionen regenerativer Energieerzeugung, die inzwischen schädlich für die Strompreisentwicklung ist und damit auch unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit schadet. Es muss seitens der Politik ein Regulativ gefunden werden, das die Unternehmen nicht über die Maßen belastet, gleichzeitig aber einen nachhaltigen Anreiz darstellt, in umweltschonende Techno-
logien zu investieren. Diese Rahmenbedingungen müssen europäisch abgestimmt sein. Und sie müssen gegen globale wirtschaftliche Verwerfungen resistent sein.
National erleben wir immer häufiger, dass Aufgaben, die zuvor in behördlicher Obhut waren, auf die Industrie übertragen werden. Der Staat zieht sich als Kontrollorgan zurück und überlässt dies privatwirtschaftlichen Unternehmen. Diese Aufgabenprivatisierung kostet Zeit bei der Projektabwicklung, verschwendet Ressourcen und verursacht erhebliche Kosten.
Die Chinesen müssen gerade selbst lernen, dass ihre Wachstumspolitik nicht nachhaltig war!Lutz Rosiepen
Inwieweit beeinflusst die Zugehörigkeit zum Salzgitter-Konzern die Bemühungen im Bereich der Nachhaltigkeit?
M. Westhoff: Die Salzgitter AG unterstützt den regen Informationsaustausch zwischen den Gesellschaften u. a. in Form unternehmensübergreifender Workshops. Wissen ist in unserer heutigen Informationsgesellschaft ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Nachhaltig ist derjenige, der sein Wissen weitergibt.
L. Rosiepen: Die Problematiken, die zum Beispiel durch den demographischen Wandel auf uns zukommen, wurden im Salzgitter-Konzern bereits vor etwa zehn Jahren erkannt und aufgegriffen. Es wurden Prozesse und Strategien entwickelt, die uns unterstützen und helfen, den zukünftigen Herausforderungen zu begegnen. Davon profitieren wir.
K. Thannbichler: Über die Mitarbeit in Verbänden versucht der Konzern darüber hinaus Einfluss auf die Entstehung und Ausprägung von Gesetzen, Vorgaben und Rahmenbedingungen auf europäischer Ebene auszuüben. Das kommt auch uns bei Salzgitter Mannesmann Line Pipe zugute.
Wie werden die Zielvereinbarungen definiert und wie werden die Aktivitäten koordiniert und umgesetzt?
L. Rosiepen: Um Nachhaltigkeit im Personalbereich zu erreichen, ist ein enger Schulterschluss zwischen Geschäftsführung und den jeweiligen Führungskräften wichtig. Diesen Schulterschluss erreichen wir, indem die jeweiligen Konzepte in abteilungsübergreifenden Arbeitskreisen entwickelt, koordiniert und adaptiert werden.
M. Westhoff: Ausgehend von Kennzahlen zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz sowie von Verbräuchen an Energie und Rohstoffen analysieren wir regelmäßig Schwerpunkte, indem wir bei Unfallhäufungen oder Verbrauchsüberschreitungen die Ursachen ermitteln. Aus den Ergebnissen formulieren wir Ziele, die standort- und abteilungsübergreifend im Kreis der Führungskräfte abgestimmt werden. Für die Umsetzung werden Fachverantwortliche benannt. Das Controlling liegt bei den Management-Verantwortlichen, die gegenüber der Geschäftsführung Rechenschaft ablegen.
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für Salzgitter Mannesmann Line Pipe unter dem Aspekt Nachhaltigkeit?
L. Rosiepen: Die Stahlbranche ist aktuell, wie bereits ausgeführt, einem starken Wandel ausgesetzt. Darunter könnte das Image der gesamten Branche als attraktiver Arbeitgeber mit Blick in die Zukunft leiden. Dem gegenzusteuern und Nachwuchskräften die Attraktivität und Perspektive eines Arbeitsplatzes bei Salzgitter Mannesmann Line Pipe aufzuzeigen, ist sicherlich eine der derzeitigen Hauptaufgaben. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass uns dies, gerade durch die Zugehörigkeit zum Salzgitter-Konzern, gelingen wird.
K. Thannbichler: Unsere Mitarbeiter im Vertrieb müssen unsere Kunden jeden Tag aufs Neue davon überzeugen, dass sie bei uns nicht nur ein besseres sondern auch ein langlebigeres Produkt erhalten. Leider ist dies zum Teil mit höheren Kosten zu Beginn eines Produktlebenszyklus verbunden. Nachhaltigkeit, auch im wirtschaftlichen Sinn, zeigt sich oft erst nach 50 oder 100 Jahren. Deshalb kommt es auch darauf an, unseren Kunden den Zusatznutzen, den sie bei uns durch besseren Service wie Know-how, persönliche Präsenz vor Ort, Lieferperformance und Logistikdienstleistungen etc., bekommen, nahezubringen.
M. Westhoff: Wir müssen alles tun, um die steigenden Energiepreise in Deutschland zu kompensieren, um international bestehen zu können. Vor diesem Hintergrund müssen wir unsere ganze Kreativität nutzen, um die Energiewende aktiv mitzugestalten. Wir müssen nicht die Fragen stellen, sondern die Lösungen bieten.