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Fernwärme | Ausgabe 15 • Januar 2024 | Line Pipe Global

Line Pipe Global

Ausgabe 15 • Januar 2024

Offen für die Wärmewende

Die Verwendung bislang ungenutzter Abwärme reduziert nicht nur die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, sondern dekarbonisiert gleichzeitig auch den Wärmesektor. Dank Open-Grid- und Open-Access-Konzepten sind die Potenziale gewaltig, wie zwei aktuelle Beispiele aus den Niederlanden und Belgien zeigen. HFI-geschweißte Stahlrohre von Mannesmann Line Pipe kommen in beiden Projekten zum Einsatz.

Beheizte Räume und warmes Wasser gehören zu den festen Bestandteilen einer komfortablen Energieversorgung. Dafür nutzt ein Großteil aller Haushalte noch immer fossile Energien.
    Eine Alternative dazu ist die Nutzung von Fernwärme. Bislang ungenutzte Abwärme aus der Industrie, von Kühlanlagen oder Rechenzentren bieten als Wärmequellen ein enormes Potenzial für den Betrieb von Fernwärmenetzen. Die industrielle und gewerbliche Nutzung kann den Energiebedarf aus fossilen Quellen zusätzlich deutlich reduzieren.

Jahrzehntelange Produkt- und Verlegeerfahrung
Als Lieferant für Medien- und Mantelrohre verfügt Mannesmann Line Pipe über eine jahrzehntelange Expertise mit international renommierten Systemherstellern von Fernwärmerohren. Hinzu kommen das technische Know-how und die Erfahrung in den verschiedensten Verlegeverfahren von der klassischen Verlegung im Graben über das Pflugverfahren bis hin zu HDD-Bohrungen.

 

Schauen Sie sich das Zeitraffervideo der Verlegearbeiten zum Fernwärmenetz »WarmtelinQ« durch das Unternehmen Denys an.


Die Bauarbeiten zu »WarmtelinQ« erfolgten an bis zu 30 Stellen gleichzeitig.
Foto: © WarmtelinQ, Vincent Basler

Die Bauarbeiten zu »WarmtelinQ« erfolgten an bis zu 30 Stellen gleichzeitig.
Foto: © WarmtelinQ, Vincent Basler

Niederlande – Wärme für die Zukunft
Der Hafen Rotterdam ist einer der größten Seehäfen der Welt und liegt an der Rheinmündung südlich von Den Haag. Um die Restwärme der ansässigen Industrieunternehmen zur nachhaltigen Beheizung von Privathaushalten sowie für Industrie und Gewerbe zu nutzen, baut der Leitungsnetzbetreiber Gasunie seit April 2022 mit »WarmtelinQ« ein umfangreiches Fernwärmenetz auf.
    Im ersten Bauabschnitt verläuft die Wärmeleitung vom Hafen Rotterdam über Vlaardingen nach Den Haag. Der zweite Abschnitt soll direkt im Anschluss folgen, um dann auch Teile der 120.000 Einwohner zählenden Stadt Leiden mit nachhaltiger Wärme versorgen zu können.
    Im Trassenverlauf werden vorausschauend mehrere T-Stücke eingebaut, um in Zukunft weitere lokale Wärmeerzeuger und -verbraucher bzw. lokale Verteilungsnetze flexibel anschließen zu können. Im Idealfall könnten mit diesem Open-Grid-Konzept später einmal bis zu 500.000 Wohneinheiten an »WarmtelinQ« angeschossen werden.



Wann immer möglich, wurden die Fernwärmerohre zu langen Strängen verbunden und umweltverträglich grabenlos eingezogen.

Wann immer möglich, wurden die Fernwärmerohre zu langen Strängen verbunden und umweltverträglich grabenlos eingezogen.


Projektstand: Work in progress
Für den 23 km langen ersten Bauabschnitt Rotterdam–Vlaardingen–Den Haag wurden 16 bis 24 Monate Bau-zeit veranschlagt. In diesem Zeitraum wurde bzw. wird teilweise an bis zu 30 verschiedenen Orten gleichzeitig gearbeitet.
    Das erfordert eine minutiöse Fertigungs-, Liefer- und Baustellenlogistik in engster Abstimmung mit den Ver-legeunternehmen auf den Baustellen und dem Systemanbieter der Fernwärmerohre, der FW-Fernwärme-Technik in Celle.
    Für die anspruchsvollen Pipe-in-Pipe Systemrohre lieferte Mannesmann Line Pipe bis September 2023 rund 914 t HFI-geschweißte Stahlrohre. Die verschiedenen Abmessungen von DN 300 bis DN 600 wurden nach engsten Fertigungstoleranzen (EN253) in Siegen und Hamm gefertigt und nach bestandener Vollkörper-Ultraschallprüfung (EN10893) per Lkw just in time zur Weiterverarbeitung an die FW-Fernwärme-Technik in Celle geliefert. Hier wurden die Rohre zu den eigentlichen Systemrohren, bestehend aus Medium- und Mantelrohren inkl. Isolierung und Rollenlagern, gefertigt und versandfertig vorbereitet.

Die Verlegearbeiten mit den langen Rohrsträngen sorgten stets für großes Interesse.

Die Verlegearbeiten mit den langen Rohrsträngen sorgten stets für großes Interesse.



Die Bauarbeiten zu »WarmtelinQ« erfolgten an bis zu 30 Stellen gleichzeitig. Foto: © WarmtelinQ, Vincent Basler

Die Bauarbeiten zu »WarmtelinQ« erfolgten an bis zu 30 Stellen gleichzeitig. Foto: © WarmtelinQ, Vincent Basler


Netzplan zu den ersten Bauabschnitten des Fernwärmenetzes »WarmtelinQ«.

Netzplan zu den ersten Bauabschnitten des Fernwärmenetzes »WarmtelinQ«.


Verlegearbeiten am »Warmtenetwerk Antwerpen Noord«. Foto: © Indaver

Verlegearbeiten am »Warmtenetwerk Antwerpen Noord«. Foto: © Indaver


Der Indaver-Standort in Antwerpen. Foto: © Indaver

Der Indaver-Standort in Antwerpen. Foto: © Indaver



Umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit
Um von Beginn an für eine hohe Akzeptanz für das umfangreiche Bauprojekt zu sorgen und Bedenken auszuräumen, wurden Bürger und Beteiligte umfassend durch Gasunie informiert. In zahlreichen Terminen vor Ort und mit einem detaillierten, interaktiven Webangebot wurden alle Projektetappen anschaulich erläutert und die wichtigsten Fragen beantwortet: Wann finden die Arbeiten wo statt, wie läuft die konkrete Verlegung, mit welchen Beeinträchtigungen ist für Anwohner, Geschäftsleute und Berufspendler zu rechnen?
    Neben den Baumaßnahmen spielte auch die Umweltverträglichkeit eine wichtige Rolle. Entlang der geplanten Route des ersten Bauabschnitts stehen zum Beispiel etwa 2.000 Bäume unterschiedlichster Arten und Größen. In Absprache mit der »Tree Conservation Foundation« in Vlaardingen wurden so beispielsweise zwei große Sumpfeichen ausgegraben und an anderer Stelle wieder eingepflanzt.

Belgien – »Warmtenetwerk Antwerpen Noord«
Das in Nord-Antwerpen ansässige Entsorgungsunternehmen Indaver setzt bei der thermischen Verarbeitung von Industrieabfällen sehr viel Wärme frei. Ein Teil davon wird bereits für eigene Geschäftsprozesse und zur Stromproduktion verwendet. In Zukunft soll aber auch die verbleibende Restwärme energetisch sinnvoll und nachhaltig genutzt werden. In einem ersten Schritt wird deshalb eine Fernwärmeanbindung an das 8 km entfernte Unternehmen Boortmalt gebaut. Boortmalt ist der weltweit größte Malzkonzern. Mit einer jährlichen Produktionskapazität von 470.000 Tonnen wird am Standort Antwerpen genug Malz hergestellt, um rund 16 Milliarden Biere zu brauen. Beim Mälzvorgang, insbesondere bei den Trocknungsprozessen, werden große Mengen Wärme benötigt. Ab 2024 wird diese bei einer Temperatur von etwa 105 °C von Indaver nach Boortmalt übertragen.

Lieferung für Innen- und Mantelrohre
Zur Herstellung der Fernwärme-Systemrohre der Isobrugg GmbH in Lehrte lieferte Mannesmann Line Pipe insgesamt 413 t HFI-geschweißte Stahlrohre in den Durchmessern DN 400 und DN 600 – ebenfalls für den Einsatz als Medium- und Mantelrohre. Der Fokus der technischen  Kundenspezifikation lag hier vor allem bei den Außenrohren im Durchmesser 609 mm mit 8,8 mm Wanddicke, die über eine extrastarke PP-Umhüllung nach ISO 21809-1 mit 6 mm Schichtdicke verfügen sollten.

Im Vorfeld kamen Projektbeteiligte von Isobrugg, dem Salzgitter Handel in Hannover sowie von Indaver Antwerpen zu einem Werksbesuch nach Siegen, um sich die Stahlrohrproduktion im HFI-Verfahren und das Beschichtungsverfahren aus nächster Nähe anzuschauen.
    Die Rohrtransporte erfolgten per Lkw zu Isobrugg nach Lehrte und von dort auch per Lkw an die Baustelle.
    Ebenso wie »WarmtelinQ« ist auch dieses Wärmenetz als »Open-Access-Netzwerk« konzipiert. Direkt nach Fertigstellung des ersten Bauabschnitts wird es erweitert und so zu einem wesentlichen Bestandteil der städtischen Klimapolitik Antwerpens in Richtung Klimaneutralität. Auftraggeber ist dann die Stadt Antwerpen selbst, die Großkunden wie das Sozialwohnungsunternehmen Woonhaven mit ca. 3.200 Wohnungen in den Stadtteilen Luchtbal und Rozemaai, sowie Schulen und öffentliche Gebäude mit nachhaltiger Wärme versorgen wird.

150 GWh Netzkapazität pro Jahr
Bei voller Auslastung des Wärmenetzes wird die Umstellung von fossilen Brenn-stoffen auf Abwärme die CO2-Emissio-nen um rund 80.000 Tonnen pro Jahr reduzieren. Das entspricht den Emissionen von ca. 25.000 Haushalten.
   
Offen für die Wärmewende
Durch die offene Konzeption lassen sich auch hier ortsnah gelegene Unternehmen, die Wärme produzieren oder nutzen, später noch anschließen. Das ermöglicht auch in diesem Fall die Erschließung weiterer enormer CO2-Einsparpotenziale und sorgt für mehr Unabhängigkeit von Erdgas und Öl.  
    Unter dem Aspekt der Klimaneutralität sind beide Projekte hervorragende Beispiele, wie die Wärmewende sukzessiv, nachhaltig und erfolgreich vollzogen werden kann – mit HFI-geschweißten Stahlrohren von Mannesmann Line Pipe.


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