18 Kilometer Forschungslabor auf der B 462
Rund 6 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen in Deutschland werden durch den Güterstraßenverkehr verursacht. Klimafreundliche Antriebsalternativen sind deshalb gefragt und werden derzeit im Pilotprojekt ›eWayBW‹ erprobt. HFI-geschweißte Rohre von Mannesmann Line Pipe spielen dabei eine tragende Rolle.
Im Mittelpunkt des Pilotprojekts eWayBW steht ein realitätsnaher elektrischer Betrieb von Oberleitungs-Hybrid-Lkw (OH-Lkw), in Anlehnung an elektrifizierte Bahnstrecken. Während des dreijährigen Versuchsbetriebs kommen neben den OH-Lkw aber auch weitere alternative Antriebstechnologien zum Einsatz: ein Wasserstoff-/Brennstoffzellen-Lkw, ein Bio-Methan-Lkw, ein rein batterieelektrischer Lkw mit Pantograph, also mit Stromabnehmer an der Oberleitung, sowie zwei weitere rein batterieelektrische Lkw. Bei einem der OH-Lkw werden darüber hinaus temporär auch synthetische Kraftstoffe, sogenannte reFuels, für den Hybridbetrieb eingesetzt. Somit sind alle derzeit erfolgversprechenden Antriebstechnologien für einen klimaschonenderen Straßengüterverkehr vertreten.
Wissenschaftliche Auswertung
Eine wissenschaftliche Begleitforschung wird vor allem die Aspekte der Energieversorgung und des Energieverbrauchs sowie die Auswirkungen der Antriebe auf Lärmemissionen, Luftschadstoffe und straßenplanerische Maßnahmen untersuchen. Mit der 18 km langen Teststrecke auf der B 462 im Murgtal in Baden-Württemberg wurden hierzu die optimalen Voraussetzungen geschaffen. Zwei Speditionen transportieren im 24/7-Betrieb jährlich etwa 500.000 Tonnen Papier von Papierherstellern in Gernsbach-Obertsrot in ein Logistikzentrum nach Kuppenheim. Mit bis zu 64 Umläufen pro Tag legen die OH-Lkw in Summe jährlich über 100.000 Kilometer auf der Teststrecke zurück.
Keine durchgängige Elektrifizierung erforderlich
Mit Oberleitungen elektrifiziert sind von den 18 km allerdings lediglich zwei Abschnitte mit einer Gesamtlänge von knapp 4 Kilometern. Eine durchgängige Elektrifizierung ist nicht notwendig, da die eingesetzten Lkw alle über eine Batterie verfügen, die während des Kontakts mit den Oberleitungen zusätzlich aufgeladen wird. Der Regelbetrieb auf der Teststrecke startete am 21.09.2021.
So funktioniert das System
Sensoren im Dach des Lkw erkennen, ob sich eine Oberleitung über dem Fahrzeug befindet. Die eingebauten Stromabnehmer werden ausgefahren, und versorgen den Elektromotor mit Strom. Sobald die Oberleitung endet oder der Lkw zu einem Überholvorgang ansetzt, kommt der Hybridantrieb zum Einsatz. Bei einem Hybridantrieb auf Batteriebasis ergibt sich der Vorteil, dass die Batterie während der Stromversorgung über die Oberleitung geladen wird, sodass beim Verlassen der Oberleitungsstrecke die maximale Reichweite im Batteriemodus zur Verfügung steht.
Anlehnung an Bahnbetrieb
Die Oberleitungen des eWay-Systems sind an die Oberleitungstechnik der Bahn angelehnt, werden aber im Vergleich dazu lediglich mit einer Niederspannung von 670 Volt statt 15.000 Volt betrieben. Die Aufhängung erfolgt an Masten mit Querträgern, die in Abständen von etwa 50 Metern stehen. Die an den Auslegern befestigten Fahrdrähte werden in einer Höhe von 5,12 Metern geführt und können bei Bedarf auf bis zu 4,70 Meter abgesenkt werden.
Hohe Materialanforderung, kurzfristige Lieferung
Weil der ursprünglich vorgesehene Rohrhersteller Lieferschwierigkeiten hatte, stellte Siemens Mobility über sein Partnerunternehmen Metalogalva in Portugal eine Anfrage an Mannesmann Line Pipe. Da die Masten die gesamten Traglasten der Querträger und Stromversorgungsleitungen aufnehmen, musste das Material entsprechend dimensioniert sein. Zum Einsatz kamen HFI-geschweißte Stahlrohre in Durchmessern von 508 und 610 mm mit Wanddicken von 8 bis 20 mm in der Güte S355J2H nach EN 10219-1 bzw. EN 10210-1. Die angefragte Lieferzeit konnte sogar noch von 13 auf nur fünf Wochen verkürzt werden. Möglich wurde dies durch das flexible Umstellen disponierter Aufträge, sowie durch die Verwendung von Vormaterial, das eigentlich für die Fertigung neuer Lagerbestände eingeplant war.
Straßengüterverkehr der Zukunft
Der Testbetrieb der Anlage läuft noch bis Mitte 2024. Die Lkw stehen den beteiligten Unternehmen dabei in einem flexiblen Pool zur Verfügung. So kann jedes Unternehmen die verschiedenen Fahrzeuge testen und parallel zur wissenschaftlichen Auswertung auch seine eigenen Erfahrungen machen. Durch die unterschiedlichen Antriebsvarianten wird das Projekt eWayBW zum 18 km langen Forschungslabor eines klimaschonenden Straßengüterverkehrs der Zukunft.