Die Nordsee wird zum grünen Kraftwerk Europas
Nicht zuletzt auf Drängen der EU schreitet der Ausbau von Offshore-Windparks in der Nordsee weiter voran. Nach den Lieferungen für den Beatrice Offshore-Windpark konnte Mannesmann Line Pipe auch auf der Doggerbank punkten. Hier entsteht derzeit der größte Offshore-Windpark der Welt.
Mit ihrer Strategie zum künftigen Ausbau der erneuerbaren Energien auf See sprechen die Vorgaben der EU-Kommission eine deutliche Sprache: Bis 2030 sollen sich die bestehenden Kapazitäten von 12 auf 60 Gigawatt verfünffachen. Eine klimaneutrale EU benötigt demnach bis 2050 sogar etwa 340 GW installierte Leistung. Die Nordsee wird für diese Vorhaben zum grünen Kraftwerk Europas.
Doch nicht nur der Ausbau der Energieerzeugung ist von großer Bedeutung, auch die Verteilung spielt eine mindestens genauso wichtige Rolle. Deshalb muss der Ausbau der Stromnetze unbedingt Schritt halten mit dem Ausbau der ›Erneuerbaren‹.
Der deutsche Übertragungsnetzbetreiber TenneT verfügt über eine Offshore-Übertragungskapazität von rund 7.000 MW in der deutschen Nordsee und arbeitet bereits an völlig neuen Stromverteilungskonzepten. So will das Unternehmen bis 2035 gemeinsam mit Konsortial-Partnern in der Nordsee ein sogenanntes Windenergie-Verteilkreuz bauen, das mit 12.000 Megawatt die Kapazität von zwölf Großkraftwerken hat.
Über das Verteilkreuz sollen Dänemark, die Niederlande und Deutschland mit grünem Windstrom aus der Nordsee versorgt werden. Das Clevere daran: Es verbindet mehrere Offshore-Windparks mit den Ländern und stellt gleichzeitig eine direkte Leitung der Länder untereinander her. Wenn der Wind weht, wird der Strom aus den Offshore-Windparks in die Länder transportiert, und bei Flaute können dieselben Leitungen für den direkten Stromhandel untereinander genutzt werden.
»Energiewende und Stahl passen mehr denn je bestens zusammen.«Guido Ludwig, Verkaufsgebietsleiter Mannesmann Line Pipe
Einbindung von grünem Wasserstoff
Die Nutzung der Energie aus Offshore-Windparks kann zukünftig aber wohl nicht allein über das Stromnetz funktionieren. Gefragt sind deshalb Power-to-X-Konzepte und die Einbindung von Elektrolyseuren zur Erzeugung und Speicherung von grünem Wasserstoff.
So ist man sich bei TenneT sicher, dass ein systemischer Ausbau der Gas- und Strominfrastruktur vonnöten ist. Nur wenn die Produktion und die Speicherung von grünem Wasserstoff mit Blick auf das gesamte Stromsystem richtig eingebunden werden, können sie das Stromnetz sinnvoll ergänzen und entlasten. Und nur so kann Windstrom effektiv zur angestrebten Energiewende und Klimaneutralität beitragen.
Doggerbank – der größte Offshore-Windpark der Welt
Doch zurück zur Nordsee. Die Doggerbank ist eine große ost-westlich ausgerichtete Sandbank in der Nordsee, die im Osten von Großbritannien über die Niederlande und Deutschland bis nach Dänemark reicht. Im britischen Teil entsteht derzeit der weltweit größte Offshore-Windpark. Das Potenzialgebiet ist 8.660 km² groß und befindet sich zwischen 125 und 290 Kilometer vor dem nordenglischen Yorkshire.
Das Projekt wird durch ein Joint Venture entwickelt und teilt sich in drei Teilgebiete auf: Doggerbank A, B und C. Diese werden jeweils über 1.200 MW installierter Leistung verfügen und sollen bis Anfang 2026 sukzessive in Betrieb gehen.
Hinzu kommt noch das Teilstück Sofia mit weiteren 1.400 Megawatt, für das die Inbetriebnahme für Ende 2026 geplant ist. Zusammen kommt die erste Ausbaustufe des Windparks somit auf 5 GW, was in etwa der Leistung von drei bis vier mittleren Atomkraftwerken entspricht. Durch die volle Ausnutzung des Potenzialgebietes könnte perspektivisch eine installierte Leistung von bis zu 13.000 MW realisiert werden.
Produktion der Turbinen und Monopile-Fundamente
General Electric wird für Doggerbank A – C insgesamt 277 Offshore-Windkraftanlagen liefern. Dabei wird das Teilgebiet C erstmals mit 87 Haliade-X-14-MW-Offshore-Windturbinen der neuesten Generation ausgestattet.
Die Aufträge zur Herstellung der benötigten Monopile-Fundamente und Transition Pieces gingen an ein niederländisch-belgisches Konsortium. Die Unternehmen werden alle 277 Monopiles und Transition Pieces für Doggerbank A, B und C bauen. Dabei wird das eine Unternehmen die Herstellung der Monopiles und das andere den Part für die Konstruktion, den Bau und die Beschichtung der Transition Pieces übernehmen.
Passende Rohrlängen und ›Beatrice-Expertise‹
Über den Salzgitter Handel in Polen bestanden bereits beste Verbindungen zum Hersteller der Transition Pieces. Das Unternehmen hat Niederlassungen in Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und Polen und verfügt über mehr als 50 Jahre Erfahrung im Bereich Engineering, Bau, Lieferung und Montage von Stahlkonstruktionen. Bereits 2016 wurden dort Rohre von Mannesmann Line Pipe für den Offshore-Windpark Beatrice im Nordosten Schottlands verarbeitet.
Für Doggerbank A stellte das Unternehmen bereits 95 Transition Pieces zur Installation der Monopiles in Wasser-tiefen von 18 bis 63 m her – die ersten wurden bereits ausgeliefert. Für die 27 m langen Übergangsstücke mit einem Durchmesser von rund 8 m sah die Konstruktion der Boat Landings Rohrlängen von 13 und 13,30 m vor, die Mannesmann Line Pipe jeweils an einem Stück liefern konnte. »Damit entfielen Hunderte zusätzliche zeit- und kostenintensive Rundschweißnähte beim Bau der Transition Pieces. Zudem weist die Oberfläche unserer Mannesmann-Rohre eine geringe Verzunderung auf, was wiederum der leichteren Beschichtbarkeit der Rohre zugute kommt«, fasst Guido Ludwig, zuständiger Verkaufsgebietsleiter bei Mannesmann Line Pipe, die schlagenden Argumente für die Auftragsvergabe zusammen. »Inzwischen haben wir rund 1.100 Tonnen HFI-geschweißte Stahlrohre der Abmessung 355,6 x 25 mm in der Güte S355J2H gem. DIN EN 10210 über den Salzgitter Handel in Polen ausgeliefert«, berichtet Guido Ludwig.
Installation ab Mitte 2022
Mit der Installation der Monopile-Fundamente und Transition Pieces wurde das belgische Unternehmen Jan de Nul beauftragt. Für die Arbeiten soll die gerade nach höchsten Umweltstandards fertig-gestellte ›Voltaire‹ zum Einsatz kommen. Das Schiff kann mit Biodiesel der zweiten Generation betrieben werden, der den CO₂-Fußabdruck des Kraftstoffs um bis zu 90 % reduziert. Das Schiff verfügt außerdem über ein duales Abgasfiltersystem, das bis zu 99 % der Nanopartikel aus den Abgasen entfernt und die NOx-Emissionen und andere Schadstoffe durch einen Katalysator deutlich reduziert. Der Hauptkran kann Lasten von über 3.000 Tonnen heben und so die aktuelle und zukünftige Generation von Windparks auf See mit Höhen über 270 Metern und Rotorblättern bis 120 Meter Länge errichten.
Ein weiterer Schritt Richtung grünes Kraftwerk Nordsee
Mit der Inbetriebnahme des Offshore-Windparks Doggerbank wird ein weiterer Schritt auf dem Weg der Nordsee zum grünen Kraftwerk Europas vollzogen. Zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens bis 2030 werden aber zahlreiche weitere hinzukommen müssen. Guido Ludwig dazu: »Mit unseren HFI-geschweißten Stahlrohren können wir dazu beitragen, die ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Energiewende und Stahl passen mehr denn je bestens zusammen.«