Win-win-Situation für Mensch und Natur
Aus einem stillgelegten Steinbruch im Westen Frankreichs entsteht ein Wasserspeicher mit 2,5 Mio. Kubikmetern Fassungsvermögen. Die spektakuläre Installation der Versorgungsrohre an einer 70 Meter hohen Felswand war für alle Beteiligten alles andere als Routine.
Der ›Lac du Jaunay‹ bildet die Basis der Trinkwasserversorgung für die westliche Vendée in Frankreich. Allerdings gilt sein Fassungsvermögen einerseits im Jahresverlauf als unzureichend und andererseits fließen überschüssige Niederschläge während des Winters ungenutzt ins Meer.
Der Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Niederschläge in der Region veranlassten den Wasserversorger Vendée Eau, sich frühzeitig um weitere Speicherkapazitäten zu kümmern. Fündig wurde das Unternehmen in Les Clouzeaux, an dessen Ortsrand sich ein stillgelegter Steinbruch befindet. Statt einen weiteren See aufzustauen, bot sich hier die ideale Gelegenheit, ein brachliegendes Gelände zu nutzen.
Verdopplung der Speicherkapazität
Der ehemalige Granitsteinbruch, der in Les Clouzeaux bis 2018 betrieben wurde, wird 2,5 Millionen Kubikmeter Rohwasser speichern können und die Kapazität des Lac du Jaunay fast verdoppeln. Eine rund 25 km lange Pipeline wird den Transfer des Wassers in beide Richtungen ermöglichen.
Für die Installation der neuen Rohrleitungen waren umfangreiche Vorbereitungen notwendig. Doch bevor die Arbeiten richtig losgehen konnten, war die Natur schon schneller. Ein Wanderfalkenpaar hatte sich ausgerechnet eine Stelle in der Felswand zum Nisten ausgesucht, die für die Installation der Wasserrohre bestimmt worden war.
Baustart mit Verspätung
Die Bauarbeiten wurden kurzerhand um sechs Monate verschoben, bis der Nachwuchs flügge war und die Eltern das Nest verlassen hatten.
Dann konnten die Arbeiten endlich beginnen: Industriekletterer seilten sich an der 70 Meter hohen Felswand ab und befestigten zunächst Spezialhalterungen für die exakte Aufnahme der drei parallel verlaufenden Rohrstränge.
Nach Abschluss dieser Vorarbeiten war im Februar 2022 ein rund 15-köpfiges Team mit der Installation der Rohre beschäftigt. Diese waren zu Teilsträngen verschweißt worden und wurden mit zwei Schwerlastkränen auf ihren exakten Einbauwinkel von 67 Grad in Position gebracht. Jetzt kamen erneut die Kletterer zum Einsatz, die die Rohre passgenau an den vorbereiteten Manschetten verschraubten. Anschließend wurden die jeweils nächsten Rohrstränge in die Muffen der unteren Rohrenden geschoben, ebenfalls in den Halterungen befestigt und miteinander verschweißt.
Kleinmenge mit hohen Ansprüchen
Obwohl es sich bei der Anfrage unseres langjährigen Geschäftspartners SPREAD für Wasserrohre in dieser Region lediglich um 156 Meter DN 300 und 84 Meter DN 400 handelte, waren die Anforderungen an die HFI-geschweißten Rohre für den geplanten Einsatz sehr anspruchsvoll.
Einerseits werden sie im Sommer extremen Temperaturen ausgesetzt sein und andererseits stehen sie – bei schwankendem Niveau – über längere Zeiträume im Wasser. In Absprache mit den erfahrenen Technikern von Mannes-mann Line Pipe wurden sie in den Güten P355 und Grade B in Längen von 12 m und Wanddicken von 5 und 5,6 mm hergestellt und über die Spedition Capelle ausgeliefert. Innen waren sie mit trinkwassergeeignetem Portland-Zement ausgekleidet und außen mit einer hitze-, kälte- sowie wasserbeständigen Spezialbeschichtung ›Interzone 954‹ versehen.
Naherholungsgebiet aus zweiter Hand
Nach der spektakulären Installation und dem Anschluss der Rohre begann Ende März 2022 die Flutung des Steinbruchs, die über den Winter 2022 bis zum April 2023 abgeschlossen sein soll.
Dann wird ein etwa 10 ha großer See mit einer Tiefe von bis zu 55 m entstehen. Er wird eine grandiose Kulisse zum Laufen, Reiten und Spazierengehen bieten und neuer Lebensraum für Insekten, Vögel, Amphibien und Pflanzen werden. 6.000 neue Bäume wurden bereits gepflanzt und fünf Beobachtungspunkte eingerichtet. Die Tinouze, ein vorbeifließender Bach, wurde im Bereich des Steinbruchs renaturiert und ein Lehrpfad für Groß und Klein erläutert die Geschichte des Steinbruchs, den Wasserkreislauf in der Natur und das Thema Biodiversität. Eine Natursteintribüne mit Platz für bis zu 500 Besucher wird darüber hinaus für Einwohner, Vereine und Schulen einen naturnahen Rahmen für Veranstaltungen bieten.
Und die Wanderfalken werden sich hoffentlich einen schönen Platz zum Zuschauen suchen!