Müllheizkraftwerk Kopenhagen
Abfahrt auf der Kraftwerkspiste
Nur drei Kilometer vom Stadtzentrum Kopenhagens entfernt entsteht die wohl innovativste Müllverbrennungsanlage der Welt. Sie wird Landmarke, Skipiste, Energieversorger und Mahnmal von CO2-Emissionen zugleich – mit Stahlrohren und MSH-Profilen von Salzgitter Mannesmann Line Pipe.
2010 lobte das Kopenhagener Entsorgungsunternehmen ARC einen Wettbewerb für eine neue Müllverbrennungsanlage zur thermischen Abfallverwertung aus. Der Neubau soll mit allerneuester Technik zur effizienten Fernwärmeerzeugung die 40 Jahre alte benachbarte Anlage ersetzen. 25 % höhere Energieausbeute, eine drastische NOX-Reduzierung und mehrere 100.000 Tonnen weniger CO2-Emissionen pro Jahr gehören zu den zentralen Zielen. »Amager Bakke« wird die größte und modernste Anlage ihrer Art in Dänemark sein. Die Gesamtkosten liegen bei ca. 500 Millionen Euro. 2017 soll sie ihren Betrieb aufnehmen.
Einstimmiger Zuschlag für außergewöhnliches Projekt
Das dänische Architekturbüro BIG, Bjarke Ingels Group erhielt in Zusammenarbeit mit den Berliner Unternehmen MAN MADE LAND und realities:united den Zuschlag. Der Entwurf überzeugte Auftraggeber wie Jury, die ihr Urteil einstimmig fällte. Die Pläne des inzwischen weltweit tätigen dänischen Shootingstars der internationalen Architekturszene gehen dabei weit über einen konventionellen Gebäudeentwurf hinaus. BIG setzte sich umfassend mit Gebäude, Technik, Topografie, Städtebau, multifunktionaler Nutzung und gesellschaftlicher Diskussion um Klimapolitik und CO2-Emissionen auseinander. So umfassend die Analyse, so vielfältig das Ergebnis. Entstehen werden Fabrik, Anlage, Gebäude, Skulptur, Skipiste, Landschaft, Landmarke und Mahnmal zugleich.
Hightech-Anlage und Mahnmal zugleich
Das neue Gebäude schafft mit 100 m als eines der höchsten der Stadt eine neue Landmarke für Kopenhagen. Ein Panorama-Restaurant wird den Besuchern einen imposanten Rundumblick über die dänische Hauptstadt, das Hafengebiet und den Öresund ermöglichen.
Das rund 31.000 m² große Dach wird zu einer Ski- und Snowboardpiste unterschiedlichster Schwierigkeitsgrade und mit rund 1.500 m Abfahrten eine echte Alternative zu den ansonsten mehrere Autostunden entfernten nächstgelegenen Skigebieten in Südschweden. Auch von der Nutzung wird es kein kurzes Vergnügen – Kopenhagen verfügt über eine ca. viermonatige Nachtfrostperiode pro Jahr.
Die begrünte Fassade wird von weitem wie eine monolithische bemooste Felsrampe wirken. Eingebettet wird die neue Müllverbrennungsanlage in ein ca. 16 ha großes, neu anzulegendes, zentrumsnahes Parkgelände, das zahlreiche und vielfältigste Freizeitmöglichkeiten eröffnen wird. So entstehen eine industriell-energetische und freizeitorientierte Nutzung, die auf einzigartige Weise miteinander verbunden sind.
Wir fragen, wie Nachhaltigkeit die Lebensqualität verbessern und Spaß machen kann.Bjarke Ingels, Architekt
Sichtbares Zeichen für eine abstrakte Debatte
BIG holt die Verursacher des Abfalls an die (vorläufige) Endstation ihrer Konsumabfälle. Statt eines Lifts für die Skifahrer wird es im Inneren der Anlage gläserne Fahrstühle geben, mit denen die Ski- und Snowboardfahrer auf den »Gipfel« befördert werden und einen Einblick in die Müllverbrennungsanlage erhalten.
Doch damit nicht genug. Als weit sichtbares Zeichen für ganz Kopenhagen wird die Anlage künstlich erzeugte Rauchringe in den Himmel entlassen. Jeder Ring wird einen Durchmesser von rund 30 m und eine Höhe von 6 Metern haben und eine halbe Tonne CO2 in die Atmosphäre emittieren. Während die Ringe langsam aufsteigen und abkühlen kondensiert das Wasser innerhalb der Gaswolke und macht diese kurz nach dem Verlassen der Anlage sichtbar. Erstmals wird der unsichtbare und abstrakte CO2-Ausstoß konkret für jedermann sichtbar. Das Konzept gibt der abstrakten Emissionsdebatte Form und Größe und schafft so neuen Raum für gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit dem Thema Ressourcen und Klimawandel.
800 t Stahlrohre und MSH-Profile
2013 begannen die umfangreichen Bauarbeiten, die bis 2017 andauern werden. Für die tragende Pistenkonstruktion des ca. 31.000 m² großen abgeschrägten Daches lieferte Salzgitter Mannesmann Line Pipe über die Salzgitter Mannesmann Stahlhandel GmbH in Düsseldorf knapp 800 Tonnen HFI-geschweißte Stahlrohre und MSH-Profile an die Züblin Stahlbau GmbH. Das südlich von Berlin ansässige Unternehmen übernahm u. a. die Werksplanung, Herstellung und Montage des schweren Gebäudestahlbaus, der Spannbetonhohl- und Stahlbetonwand-Elemente, der Sandwichwände mit Brandschutzklassifizierung, die Abdichtung und Entwässerung der Dachkonstruktion sowie die Lieferung und Montage des Schornsteines.
Lieferung in Losgröße 1
»Wir sind natürlich schon stolz, an einem so innovativen Ausnahmeprojekt beteiligt zu sein«, sagt Guido Ludwig, der die Abwicklung für Salzgitter Mannesmann Line Pipe über den Salzgitter Mannesmann Stahlhandel in Düsseldorf begleitet hat. Das umfangreiche und komplexe Bauvorhaben erforderte im Stahlbau die unterschiedlichsten Längen, Wanddicken und Durchmesser bei Rohren und MSH-Profilen. »Um das Ganze besser planen und handeln zu können, haben wir das gesamte Projekt in 20 Einzelaufträge gestückelt. Von den insgesamt 711 Rohren haben wir zahlreiche Abmessungen in der Losgröße 1 geliefert«, erinnert sich Ludwig. Die Standorte Siegen und Hamm produzierten Rohre im Durchmesser von 219 bis 610 mm, bei Wanddicken bis zu 25 mm und Längen bis 18 m. »Die hohe Varianz in den Abmessungen und Stückzahlen ließen den Auftrag in Bezug auf Produktionsplanung, Lieferung und Logistik zu einem ganz schön anspruchsvollen Projekt werden – da war viel Flexibilität von allen Beteiligten gefordert«, blickt Ludwig zurück.
Auch Mathias Berger von Salzgitter Mannesmann Stahlhandel weiß davon zu berichten: »Kurzfristige Bestellungen, Änderungen der Abmessungen, Längen und Liefertermine stehen auf der Tagesordnung und waren und sind eine große Herausforderung für uns. Darauf sind wir aber eingestellt.«
Neben Rohren und MSH-Profilen wurden auch Brennteile aus Grobblech, die aus Ilsenburg stammen, über den Stahlhandel für das Projekt geliefert. Dabei hat die gute Kommunikation zwischen den Salzgitter Konzerngesellschaften eine wichtige Rolle gespielt. »Wir können uns jederzeit aufeinander verlassen«, so Berger, verantwortlicher Produktmanager für Rohre bei Salzgitter Mannesmann Stahlhandel. Auch er ist von dem Bauprojekt und der Architektur begeistert. »Die Kombination aus Zweckmäßigkeit und Freizeitnutzung macht das Projekt so spektakulär.«
Yes is more – BIG, Bjarke Ingels Group
Bjarke Ingels kam auf Umwegen zur Architektur – eigentlich wollte er Comic-Zeichner werden. Vermutlich resultiert aus dieser Nähe auch der Mut zu plakativen und tiefgründig lebensbejahenden Entwürfen. In Kopenhagen entsteht derzeit die wohl innovativste Müllverbrennungsanlage der Welt – mit einer Skipiste auf dem Dach und Rauchringen, die die CO2-Emissionen sichtbar machen.
Bjarke Ingels, Jahrgang 1974, studierte Architektur in Kopenhagen und Barcelona. Studienabschluss 1998. Von 1998 bis 2001 arbeitete er in Rem Koolhaas’ OMA in Rotterdam. 2001 gründete er mit Julien de Smedt das Büro PLOT Architects, das bereits in der Frühphase international Aufmerksamkeit erregte. 2004 erhielt PLOT auf der Architekturbiennale in Venedig den Goldenen Löwen für den Entwurf einer Konzerthalle in Stavanger, Norwegen und 2005 gewann das Büro seinen ersten großen Wettbewerb.
2006 gründete Ingels dann BIG, die Bjarke Ingels Group. Zahlreiche internationale Wettbewerbsbeiträge und -preise wechseln sich seither mit renommierten Auszeichnungen ab. Inzwischen unterhält das Kopenhagener Büro auch Niederlassungen in New York und Peking zur Realisierung konkreter Bauvorhaben vor Ort. 2009 veröffentlichte Ingels seinen Architektur-Comic »Yes is more –an archicomic on architectural evolution« zur BIG-Ausstellung gleichen Titels im Danish Architectural Centre in Kopenhagen.